Elf Jahre alt ist mittlerweile das Patientenrechtegesetz. Viele Expertinnen und Experten halten es für überholungsbedürftig. In Fachkreisen werden Reformoptionen diskutiert. Von Patientenseite werden vor allem Beweiserleichterungen gefordert. Der rechtliche Hintergrund ist folgender:
Im Arzthaftungsrecht muss ein mutmaßlich Geschädigter in der Regel den Behandlungsfehler, den entstandenen Schaden und den direkten Zusammenhang zwischen beidem, die sogenannte Schadenskausalität, beweisen. Nach § 286 ZPO gilt für alle drei Punkte grundsätzlich der Vollbeweis. Dies ist der strengste Beweismaßstab, den das deutsche Zivilrecht kennt. Der Beweis gelingt nur, wenn Fehler, Schaden und die Schadenskausalität mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ nachgewiesen werden. Insbesondere der Nachweis der Schadenskausalität ist naturgemäß nur sehr schwer zu erbringen. Hieran hat sich auch durch das 2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz nichts geändert.
Erschwerend kommt im Arzthaftungsrecht hinzu, dass geschädigte Patienten den Beweis in aller Regel nur durch ein fachmedizinisches Sachverständigengutachten erbringen können. Medizinische Sachverständige stehen aber trotz der gebotenen Unabhängigkeit klar im Lager ihrer ärztlichen Kollegen und oft gibt es keine harten medizinischen Standards, sodass die Annahme eines Behandlungsfehlers von Wertungen der medizinischen Sachverständigen abhängig ist. Hierdurch entsteht eine juristische Grauzone, an der viele Arzthaftungsklagen scheitern.
Nach geltendem Recht gibt es für Patienten eine Reihe von Beweiserleichterungen. Für den Fall, dass es gelingt, einen groben Behandlungsfehler nachzuweisen – also einen eindeutigen Verstoß gegen die geltenden Richtlinien, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint – kommt es zugunsten der Patientenseite hinsichtlich der Schadenskausalität zu einer Beweislastumkehr. Die Unterscheidung zwischen einem einfachen und einem groben Behandlungsfehler hängt wiederum von gutachterlichen Bewertungen ab. Medizinische Gutachter sind damit oft „Richter in Weiß“, denn sie wissen vor Gericht genau, welche Formulierungen sie benutzen müssen, damit ein Fall als einfacher Behandlungsfehler gilt. Dies führt auf Patientenseite zu erheblicher Rechtsunsicherheit.
Mit der Novellierung des Patientenrechtegesetzes sollte jedenfalls überwunden werden, dass es für Patienten ohne rechtssichere Beweiserleichterungen nahezu unmöglich ist, den Vollbeweis der Schadenskausalität zu erbringen. Möglich wäre die generelle Absenkung des Beweismaßes für die haftungsbegründende Schadenskausalität auf „überwiegende Wahrscheinlichkeit“. Dies entspricht der geltenden Rechtslage in anderen europäischen Ländern und erscheint sinnvoll, wenn man die Patientenrechte wirklich verbessern will.
Die Verbesserung der Patientenrechte ist nur eine Maßnahme auf dem Weg zu dem gemeinsamen Ziel, die Patientenversorgung in Deutschland zu verbessern. Hauptproblem ist sicher die Überlastung des Gesundheitssystems an sich sowie die erlösgesteuerte Ausrichtung des Systems.
Eine Entökonomisierung des Gesundheitswesens ist dringend erforderlich.