Im Jahre 2018 spendete eine gesunde, junge und sportliche Frau ihrer nierenkranken Schwester eine Niere. Der Eingriff in der Berliner Charité verlief jedoch nicht wie geplant. Bei der Nierenentnahme kam es zu Komplikationen. Nur eine Not-Operation und eine Bluttransfusion retteten der jungen Spenderin das Leben. Die ehemalige Leistungssportlerin leidet bis heute neben der traumatischen Erfahrung an den körperlichen Folgen des Nierenverlustes und ist infolge der Spende nur noch in Teilzeit berufstätig. Ihren Sport musste sie aufgeben.
Die junge Nierenlebendspenderin verklagte die Ärzte auf Schmerzensgeld und Schadensersatz. In dem vor dem Landgericht Berlin anhängigen Gerichtsverfahren konnte ein Behandlungsfehler nicht festgestellt werden. Unter Bezugnahme auf die Grundsatzurteile des Bundesgerichtshofs zur fehlerhaften Aufklärung von 2019 (BGH, 29.01.2019 - VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17) begründete das Berliner Landgericht allerdings seine Auffassung, dass die Aufklärung nicht ausreichend gewesen sei.
Ärztinnen und Ärzte, die vor einer Organlebendspende aufklären, müssen nicht nur die formalen Anforderungen des Transplantationsgesetzes penibel einhalten. Auch Risiken nur katalogmäßig aufzuführen, reicht nicht. Gerade wegen der möglichen chronischen Erschöpfung und Müdigkeit (Fatigue-Syndrom) nach einer Nierenentnahme kommt es auf eine vollumfängliche Information und die Abwägung sowohl aus Spender- als auch aus Empfängersicht an. Es gibt immer auch Gründe, die gegen eine Spende sprechen. Diese sind eingehend zu erörtern.
Es wurde in diesem Zusammenhang bestätigt, dass bis zu 17 % der Patienten nach einer Nierenlebendspende an einem Erschöpfungssyndrom, bekannt als Fatigue-Syndrom, leiden. Dies ergibt sich aus einer Studie, die von der beklagten Berliner Charité selbst ca. zwei Jahre vor dem Eingriff veröffentlicht wurde (2016 – Friedersdorff et al. - Long-Term Donor Outcomes after Pure Laparoscopic versus Open Living Donor Nephrectomy: Focus on Pregnancy Rates, Hypertension and Quality of Life; Quelle: Urol Int 2016;97:450–456 doi: 10.1159/000447064).
Dass die Klägerin unter den Folgen des Nierenverlustes leidet, bestätigte der Gutachter unter Bezug auf frühere Gutachten, die im Rahmen eines anderen sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens im Auftrag der Unfallkasse Berlin angefertigt wurden. Nach Abwägung der Prozess- und Kostenrisiken einigten sich die Parteien daraufhin auf eine Vergleichssumme von 135.000 €.
Landgericht Berlin, mündliche Verhandlung vom 26.01.2024 - Az.: 17 O 254/21