Nach einer im Wesentlichen komplikationsfreien Geburt gab eine Hebamme der Mutter Gelegenheit, im Kreißsaal allein mit ihrem Baby zu „bonden“. Kurze Zeit später erschien der Mutter – nach ihrer Schilderung – das Baby „zu ruhig“. Sie habe klingeln wollen, damit jemand nachschaue. An ihrem Bett gab es aber keine Klingel. Infolge der Geburt habe sie zunächst nicht aufstehen können. Der Hebamme fiel der Zustand des Babys deshalb erst rund 15 Minuten später auf. Das Kind litt zu diesem Zeitpunkt unter einer Atemdepression („Fast-Kindstod“). Trotz unverzüglicher Behandlung und Reanimation führte dies zu einer schweren Hirnschädigung.
Die Eltern erstritten für das Kind ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 € sowie den Ersatz materieller Schäden von dem Krankenhaus und der Hebamme. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde mit dem Hinweis zurückgewiesen. Eine Mutter müsse in der zweiten Lebensstunde des Babys die Möglichkeit haben, eine Hebamme beispielsweise mit einer Klingel zu alarmieren, ohne aus dem Bett aufzustehen. Angesichts des groben Behandlungsfehlers hafteten das Krankenhaus und die Hebamme, auch wenn nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden konnte, dass eine frühere Alarmierung der Hebamme die Hirnschädigung des Säuglings tatsächlich verhindert hätte oder diese geringer ausgefallen wäre.
OLG Hamm, Urteil vom 20.09.2021 - Az.: 1 U 31/20 (veröffentlicht bei juris.de)
Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist unter dem Az. VI ZR 331/21 beim Bundesgerichtshof anhängig